Donnerstag, 23. August 2018

Irren ist nützlich!



Warum die Schwächen des Gehirns unsere Stärken sind

Henning Beck
Goldmann Verlag
Softcover Taschenbuch
352 Seiten; deutsch; 
ISBN 978-3442159581

Eine Freundin sagte mal zu mir: „Meine Stärke ist meine Schwäche und meine Schwäche ist meine Stärke.“ Komisch, dieser Satz kam mir beim Lesen dieses Buches immer wieder in den Sinn. Oder besser gesagt in meine Gedanken. Und schon sind wir mitten im Thema.
Ich habe schon Einiges von Henning Beck gelesen/gehört und auch in diesem Buch erklärt er auf sehr unterhaltsame Weise was in unserem Kopf passiert. Denkfehler bezeichnet er als die Geheimwaffen des Gehirns, die unsere Kreativität herausfordern und anspornen. Womit er ja nicht Unrecht hat. Ein Hoch also auf die Irrtümer … jeder Erfinder wird mir an dieser Stelle seine Zustimmung geben.
Mit seiner Schreibweise - locker und leicht verständlich – versteht es Henning Beck bestens auch „Nicht-Akademikern“ die Funktionsweise des menschlichen Gehirns zu erläutern. Dabei geht es allerdings nicht um die präzise und perfekt funktionierenden eineinhalb Kilo-Masse, sondern um das Nichtperfekte und das Fehlerhafte, was das Gehirn so einzigartig macht.
Nicht wenige von den beschriebenen Schwächen des Gehirn kenne ich selbst sehr gut (und weiß damit umzugehen), aber ich könnte die komplizierten Vorgänge im menschlichen Gehirn mit Sicherheit nicht mit diesen anschaulichen Metaphern des Alltags erläutern.
Ein Gedanke ergibt sich immer aus einem vorherigen Gedanken. Als wäre er das Startsignal für den Nächsten. Gedanken entstehen also niemals aus dem Nichts. Eigentlich ganz einfach und doch so beeindruckend.
„Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr“, sagte Marie Curie. Beck schreibt: „Nicht lernen, sondern verstehen!“ Gelerntes kann man wieder verlernen, aber man kann es nicht ent-verstehen.
Jeder von uns vergisst mal etwas oder trifft falsche Entscheidungen. Das ist menschlich. Aber auch nicht schlimm - das weiß ich nicht erst nach dieser Lektüre. Aber sie ist entspannend und schafft mir eine unterhaltsame und lehrreiche Lesezeit. Man sollte das Buch in wohldosierten „Häppchen“ (nicht in einem Rutsch) lesen … das Gehirn braucht schließlich Zeit zum Nachdenken und zum Setzen der richtigen geistigen Lesezeichen.
Ich kann dieses Buch nur wärmstens weiter empfehlen – interessant, verständlich und manchmal auch zum Schmunzeln. Mit Sicherheit am Ende aber mit mehr Gedanken-Sprüngen als vorher.

5 Sterne

Donnerstag, 9. August 2018

Der Bote


von Ingar Johnsrud (Autor), Dietmar Wunder (Sprecher)
MP3 CD
Verlag: Random House Audio
ISBN-13: 978-3837139280
Preis: 15 Euro

In einer Villa in einem reichen Vorort Oslos wird die Leiche eines kürzlich verstorbenen Mannes gefunden. Von der Bewohnerin des Hauses, einer alten Witwe, fehlt jede Spur. Der Tote wird als ihr Sohn identifiziert – der vor zwanzig Jahren bei einem Militäreinsatz ums Leben kam. Kurz darauf entdeckt man in einem Abwasserschacht am anderen Ende der Stadt eine zweite Leiche. Der Körper des unbekannten Mannes weist schwere Folterspuren auf. Hauptkommissar Fredrik Beier glaubt an eine Verbindung zwischen den beiden Fällen, doch irgendjemand scheint verhindern zu wollen, dass diese ans Licht kommt – Akten werden gesperrt, Beweismittel verschwinden …

Nach dem ersten Thriller“ Der Hirte“ ist es das zweite (Hör)Buch, welches ich vom Autor Ingar Johnsrud genossen habe. Er ist seinem Stil treu geblieben. Der Klappentext lässt in keinster Weise erahnen, welche Wege diese Erzählung geht. Von der Jetztzeit schlägt sie Bögen zurück bis  in den 2. Weltkrieg. Aber es bleibt über die ganze Geschichte hinweg absolut spannend. Danke Ingar Johnsrud. Ich freue mich auf Kommendes. Auch Dank dem genialen Vorleser Dietmar Wunder.

Ein Buch für jede Gelegenheit, für den Urlaub, für die Abendstunden zu Hause oder eine lange Zugfahrt. Absolut empfehlenswert!

Donnerstag, 2. August 2018

Mitternacht zu sein ist nicht jedem gegeben


Roman von António Lobo Antunes

Taschenbuch: 576 Seiten
Verlag: btb Verlag  
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3442715985
Preis: 12 Euro


Was bleibt vom Leben, wenn man alles verloren hat?

Das Ferienhaus ihrer Familie, an der Atlantikküste nördlich von Lissabon gelegen, ist verkauft worden, und sie möchte Abschied nehmen, ihren Erinnerungen an die Kindheit, an die gemeinsamen Sommer dort nachhängen. Doch die Vergangenheit bricht regelrecht über sie herein, und der Kurzurlaub gerät ihr zur Rückschau auf ihr Leben, zur Abrechnung über ihr Leben. Da ist die gar nicht glückliche Ehe ihrer Eltern, deren Gefühlskälte die Kinder geprägt hat; da sind die drei Brüder mit ihren unterschiedlichen Schicksalen: einer von Geburt an taubstumm, einer gezeichnet von seinem Einsatz im Kolonialkrieg, der dritte und älteste stürzte sich im Alter von achtzehn Jahren von einer Klippe. Und nun ist sie allein in dem leeren Haus. Ihr Mann hat sie schon lange verlassen, sie ist kinderlos, und ihr Beruf als Lehrerin füllt sie nicht mehr aus. Ihr Dasein, erkennt sie, ist ihr mit den Jahren mehr und mehr zur Last geworden. Am Ende führt ihr Weg sie zur Klippe über dem brausenden Ozean, wo sie das Lächeln ihres Bruders evoziert …

Das Buch erzählt eine Familiengeschichte, die als Rückblick alle Mitglieder der Familie beleuchtet, den einen mehr, den anderen weniger.
Der Satz: „Sterben ist, dass es einen Platz am Tisch zu viel gibt und man die Stühle etwas mehr auseinanderstellt, um es zu kaschieren" ist eine Aussage, die sich durch die gesamte Geschichte zieht und mir sicher im Gedächtnis bleibt, denn ich finde ihn genial.

Ich gebe zu, ich habe das Buch begonnen und nach etwa 100 Seiten weggelegt, dann wieder weiter gelesen und das 3 mal. Grund war der für mich sehr ungewöhnliche und beim Lesen sehr, sehr anstrengende Schreibstil des Autors. Ich glaube, noch so ein Buch würde ich nicht lesen wollen. Es war nicht nur Vergnügen.
Man muss sich auf den Stil des Autors einlassen, der die Sätze zusammenwürfelt, mit unsäglich vielen Kommas, über mehrere Seiten hinweg. Und dann erst ist der Satz zu Ende, dann kommt endlich ein Punkt. Ich musste häufig zurückblättern, um den Faden wieder zu finden. Die Aussagen sind sehr kompliziert miteinander verwoben, dass man viel Geduld mit sich braucht, um Durchzuhalten. Es ist kein Roman für den Nachttisch, um alle paar Abende mal ein paar Seiten zu lesen. Man muss sich rein finden, dann geht das Lesen sicher auch flüssig. Ich jedenfalls habe es nicht immer geschafft.

Der Autor hat bereits viele Bücher geschrieben, seine Titel machen (fast) alle sehr neugierig. Er wurde schon mehrmals für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen.
Er mag ein genialer Schriftsteller sein. Doch mit seinem Schreibstil tue ich mich sehr, sehr schwer.